Wer sich fleißig bewegt, soll nicht zu lange rasten

 

Der querschnittgelähmte Langläufer und Biathlet Michael Kurz (40) aus dem Lesachtal ist ein Beispiel für Lebensgestaltung durch Sport.

Aus Sotschi: Johann Skocek 

 

 

Michael Kurz | SOCHI2014 ©paralympic.org
Michael Kurz | SOCHI2014 ©paralympic.org

 

  

Sotschi – Mit Brillen und der bubenhaften Figur schaut Michael Kurz aus wie ein Student der Politikwissenschaft. Tatsächlich ist der 40-Jährige einer der wildesten Hunde in der ganzen Paralympic-Truppe. In jedem Fall ist er Österreichs Marathonmann. Er nimmt hier bei den Paralympics an allen Langlauf- und Biathlon-Bewerben teil. „Ich brauche das“, sagt er, „ich werde von Rennen zu Rennen besser.“  Gestern gab`s einen zwischenzeitlichen Rückschlag. Mit fünf Fehlschüssen reichte es im 12,5-km-Biathlonbewerb nur zu Rang 15.

Für Kurz sind es die letzten Paralympics: „Ich bin bald 41. Und es ist viel zu viel vorgefallen, ich mag nimmer.“ Er sagt es nicht so, aber das Umfeld in den Paralympics behagt dem Puristen und Hauptschullehrer nicht mehr. Angesprochen auf die Dopingdiskussionen während der Sommer-Paralympics in London 2012 antwortet er: „Das ist bei uns womöglich noch ärger.“ Kurz war einer der besten Ausdauer-Wintersportler des Landes, Mitglied im Promi-Team von Red Bull. 1999 fuhr er bei einem Schitourenrennen in Albertville in eine Wechte. „Es war ein harmloser Unfall“, erzählt er in Sotschi. „Es hat mich hergebremst, der Peitschenschlag hat mich teilweise gelähmt.“ Sein Glück, sagt er heute, war die Professionalität der französischen Bergretter. Sie brachten ihn in die Klinik nach Grenoble, in der derzeit Michael Schuhmacher liegt. Der Arzt machte ihm Hoffnung, dass er wieder gehen werde können. „Das habe ich immer im Kopf gehabt, als sie mich in Österreich als Fall für den Rollstuhl abtun wollten.“ Monate lag er im Bett und konnte sich vom Hals abwärts nicht rühren. Kurz: „ Den ganzen Tag hab`ich mich auf einzelne Bewegungen konzentriert.“ Eines Tages zuckte das Grundgelenk des linken Mittelfingers. Dann eine Zehe.

Das war vor 15 Jahren. Jetzt ist der inkomplett Querschnittgelähmte stolz darauf, dass er den Karnischen Höhenweg in zehn Stunden, 40 Minuten hinter sich bringt.

Medaille hat er noch keine, seine beste Platzierung war Rang sechs, aber darum geht`s ihm nicht. Auch darin ist er anders als andere, die ihre Motivation vordergründiger anlegen. Irgendwann will er seiner Nord-Süd-Durchquerung des amerikanischen Kontinents das zweite Stück durch Südamerika anhängen. Von Kanada bis Mexiko ist er schon geradelt. 

Zuvor hat Kurz aber noch drei Paralympics-Bewerbe zu erledigen – Ruhepausen vermeidet er. „Sonst wird meine Spastik ärger.“ Die krampfartigen Muskelkontraktionen  werden durch körperliche Aktivität unter Kontrolle gehalten. Auch insofern ist Kurz ein Beispiel dafür, wie man es macht.

 

 

 

© Thomas Zipfel
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